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Inoffizielle Führungskräfte - und wo sie zu finden sind

Als ich über diesen Beitrag nachdachte, fiel mir die Erzählung eines Professors aus meiner Studienzeit ein: 

Früher – vor vielen tausend Jahren – wenn sich die Gruppe am Lagerfeuer versammelt hatte, bekam häufig nicht der Stärkste, also der vermeintliche Anführer, die größte Aufmerksamkeit. Stattdessen hörten die anderen Stammesmitglieder häufig gern dem zu, der am intelligentesten oder am lustigsten war.

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So oder so ähnlich ging die Erzählung meines Professors. Sie sollte uns den Ansatz von Geoffrey Miller vermitteln, der in seinem Buch „The Mating Mind“ ausführt, dass für die Partnerwahl nicht allein die körperliche Stärke relevant war, sondern vor allem auch Eigenschaften, die geistige Stärke symbolisierten – wie Humor, Kreativität und Intelligenz.

Und jetzt schlagen wir den beinah schon überspannten Bogen:

So wie früher am Lagerfeuer ist es auch heute noch in unseren Teams: Dem „Starken“, der offiziell der Chef ist, gehört nicht zwangsläufig die Aufmerksamkeit des Teams. Er hat nicht unbedingt das Sagen.

Ein einfaches Beispiel: Nehmen wir an, du bist Teil eines Teams und ein Kollege oder eine Kollegin sagt zu dir: „Wenn in Meetings Entscheidungen getroffen werden müssen, schauen alle zu dir, nicht zum Chef.“

Möglicherweise ist dir das bis dahin nicht bewusst gewesen, doch wenn du jetzt darauf achtest, fällt es dir ebenfalls auf. Anscheinend bist du der oder die inoffizielle „Anführer:in“.

Denn: Neben jeder offiziellen Teamstruktur gibt es auch eine inoffizielle. Erst wenn wir uns diese genauer anschauen, verstehen wir Dynamiken im Team, die uns sonst womöglich unerklärlich erscheinen.

Forschungen zu informellen Strukturen gibt es schon seit vielen Jahren. Bereits im Zeitraum von 1927 bis 1933 untersuchten Elton Mayo, Fritz Roethlisberger und William Dickson Gruppen, die sich in Unternehmen inoffiziell bilden.

Heute wissen wir: Während formelle Strukturen festgelegt werden, ergeben sich informelle Strukturen aus der Zusammenarbeit. Innerhalb eines formellen Teams können sich dadurch unterschiedliche Distanzen zwischen den Teammitgliedern bilden – oder Verbindungen können komplett abreißen oder fehlen, etwa durch unausgesprochene Konflikte.

Das Gute ist: Wir können an diesen Strukturen arbeiten. Regelmäßiges Feedback, Retrospektiven, klare Rollenverteilungen und ein gemeinsames Ziel – all das und weitere Maßnahmen können dafür sorgen, dass sich die informelle Teamstruktur positiv entwickelt.

Denn informelle Strukturen sind, wenn wir sie erkannt haben, etwas Gutes, um Meinungsmacher zu Botschaftern werden zu lassen und um Teams zu bilden, die gut miteinander harmonieren.

Wann immer du ein Team leitest, solltest du dir also die informelle Struktur deines Teams ansehen, um zu verstehen, wie es in sich funktioniert.

Wer kann gut mit wem? Wer folgt wem? Wer ist wann meinungsstark? Auf wen solltest du wann hören?

Indem du dir diese Fragen stellst und dein Team dementsprechend in seinen informellen Strukturen stützt, könnt ihr euch gemeinsam zu einem soliden Team entwickeln, das nicht nur sehr gute Leistungen erbringt, sondern vor allem auch sehr gut zusammenarbeitet.

Kurz gesagt: In einem Team gibt es für jede Situation den oder die Richtige, um das Ruder in die Hand zu nehmen. Manchmal sogar mehrere. Gute Führungskräfte erkennen das – und lassen es zu.