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Spaß als Unternehmenswert: Warum Freude am Arbeitsplatz wichtig ist.

Vor einigen Jahren saß ich bei meinem damaligen Arbeitgeber mit einigen Kolleginnen und Kollegen in einer Strategie-Runde zusammen. Darunter auch die beiden Geschäftsführer. Gemeinsam wollten wir neue Werte für das Unternehmen festlegen. Aus den alten Werten waren wir im Laufe der letzten Jahre herausgewachsen. 

Frau lachend neben Monitor

Jetzt, so glaubten wir, sollte eine neue Zeit anbrechen. Dank crossfunktionaler Teams und moderner Arbeitsmethoden wie OKR und Kanban fühlten wir uns bereit, unseren neuen Geist in die Teams und nach außen zu tragen. 

Also saßen wir in dieser konspirativen Runde zusammen und zerbrachen uns die Köpfe über neue Werte. Der Reihe nach brachte jeder von uns ein paar Vorschläge ein.

Für mich persönlich lag der erste Wert eines Unternehmens mit jungen, motivierten Menschen völlig logisch auf der Hand. Ein Wert, den ich in meiner beruflichen Laufbahn bereits sehr früh als einen der für mich wichtigsten Werte erkannt habe und den ich nur zu gern mit den anderen teilen wollte: Spaß.

Ich fand - und finde bis heute - dass Arbeit, insbesondere im Team, bestenfalls auch Spaß machen sollte. Also brachte ich meinen Vorschlag gutgläubig in die Diskussion ein. Und rannte damit direkt gegen einen moralisch erhobenen Zeigefinger.

Denn Spaß – so erklärten mir die Geschäftsführer – sei unter keinen Umständen ein seriöser Wert für ein Unternehmen. Hier ginge es um wirtschaftliche Ziele. Da könne Spaß keinesfalls ganz oben stehen. Für mich bedeutete das übersetzt: Die Kolleginnen und Kollegen sollen doch bitte das Geld fürs Unternehmen reinholen und dabei nicht übermäßig viel Freude an dem haben, was sie da tun. 

Ich übertreibe natürlich und überspitze das, was hinter dem Ansinnen der beiden lag. Trotzdem zeigt die Diskussion, die wir damals geführt haben, meines Erachtens, worin ein Teil unseres heutigen Problems liegt: in dem Verständnis von Arbeit, das wir jahrzehntelang mit der Muttermilch aufgesogen haben. Arbeit ist ein Pflichtprogramm – keine Spaßveranstaltung.

Damals war ich geschockt. Ich hatte nicht zwingend mit Beifall gerechnet, zumindest aber mit Zustimmung. Stattdessen wurde mir von den Menschen, die den größten Nutzen aus dieser Firma zogen, erklärt, dass das Arbeiten in ihrem Haus doch bitte nicht unter der Überschrift "Spaß" stehen sollte. Ich wusste beim besten Willen nicht, was ich dazu sagen sollte.

Heute glaube ich, dass unsere konträre Sichtweise daraus entstanden sein könnte, wie wir Spaß für uns definieren. Für mich war klar: Wer Spaß bei der Arbeit hat, wird gleichzeitig auch effizienter, weil ihm oder ihr die Aufgaben einfach leichter von der Hand gehen. Weniger Zeit, die mit Beschwerden verbracht wird. Mehr Zeit, in der wir unsere Aufgaben erledigen – und danach zufriedener sind.

Den Geschäftsführern kamen wohl eher Assoziationen in den Sinn, die man auch findet, wenn man im Internet nach Synonymen zum Wort Spaß sucht: Unterhaltung, Witz, Befriedigung, Unsinn, Streich, Unfug, Ulk und Spielerei.

Ich gebe zu, nicht alle davon halte ich für adäquate Arbeitswerte – den Großteil, um genau zu sein. In dieser Hinsicht kann ich die abwehrende Haltung meiner damaligen Geschäftsführer also durchaus nachvollziehen.

Frage ich dagegen ChatGPT nach einer Definition des Wortes Spaß, gibt es mir folgende Antwort:

„Der Begriff Spaß bezeichnet ein angenehmes, freudiges Gefühl, das Menschen empfinden, wenn sie etwas erleben oder tun, das sie als unterhaltsam, erfreulich oder befriedigend empfinden. Spaß wird oft mit Lachen, Leichtigkeit und Vergnügen assoziiert. […] In der Psychologie wird Spaß manchmal als eine Form des Flow-Erlebens verstanden, bei dem Menschen ganz in einer Tätigkeit aufgehen, die sie weder überfordert noch unterfordert.“

Das klingt aus meiner Sicht schon eher nach einem Zustand, den ich mir auch für Teams wünschen würde. Insbesondere weil die KI den Begriff Spaß auch mit dem Erleben eines Flow-Gefühls in Verbindung bringt. Und das wiederum ist für unsere Produktivität auf jeden Fall etwas, das wir erreichen wollen.

Auf seiner Website beschreibt Diplompsychologe Professor Dr. Florian Becker das Flow-Erleben nach der Theorie von Csikszentmihalyi.

Demnach beschreibt Flow einen idealen Zustand zwischen Über- und Unterforderung. Genau dann, wenn wir eine Balance zwischen dem Anspruch einer Aufgabe und unseren eigenen Fähigkeiten erleben, ist unsere intrinsische Motivation am höchsten und wir haben die Chance, völlig in unserer Aufgabe aufzugehen.

Unsere Arbeit sollte gemäß seinen Ausführungen genau den richtigen Grad an Abwechslung, Autonomie, Zeitdruck und Ganzheitlichkeit bereithalten – individuell nach unserem Fähigkeitsgrad. Für den einen darf es etwas mehr Autonomie sein, für den anderen etwas weniger. Zu viel von einem dieser Punkte würde uns überfordern und Stress verursachen. Zu wenig würde uns unterfordern und uns langweilen. Beides führt dazu, dass wir weniger produktiv sind.

Agile Frameworks bedienen diese Merkmale in großen Teilen: Sie geben uns ein relativ hohes Maß an Eigenverantwortung – beispielsweise beim Pull-Prinzip im Kanban. Sie vermitteln uns, dass Teams eine möglichst hohe Ende-zu-Ende-Verantwortung haben sollten, um das Produkt oder die Leistung, die sie anbieten, ganzheitlich betrachten und die Resonanz beim Kunden berücksichtigen zu können. Sie versuchen über Mittel wie WiP-Limits (Work in Progress) den Zeitdruck, den wir verspüren, auszubalancieren. Und so weiter.

Sind agile Frameworks wie Kanban oder Scrum also darauf ausgelegt, die Chance des Flow-Erlebens in Teams zu erhöhen? Und wenn dem so ist, hätten Teams, die dank ihrer agilen Arbeitsweise häufiger im Flow sind, dann mehr Spaß bei der Arbeit?

Ich hätte keine Ausbildung zum Agile Coach gemacht, wenn ich davon nicht überzeugt wäre. Und ich glaube auch nach wie vor daran, dass Spaß ein Wert sein sollte, der tief in Teams verankert liegt. Wie bei allen Werten müssen wir seine Bedeutung für unser Team nur gemeinsam definieren, um ein einheitliches Verständnis davon zu schaffen.

Diesen Punkt habe ich damals in unserer Strategie-Runde offensichtlich verpasst. Heute würde mir dieser Fehler nicht noch einmal unterlaufen.

Und genau dafür – ohne bereits ein neues Thema aufmachen zu wollen – sind Fehler da: um aus ihnen zu lernen und es beim nächsten Mal besser zu machen.

In diesem Sinne: Viel Spaß bei der Arbeit 😊