Wozu hab‘ ich dich nochmal eingestellt?
Wer hat hier eigentlich die Hosen an? aka: Wer darf’s entscheiden?
Es war einmal ein Team, das saß zusammen und diskutierte: Will der Kunde das so? Oder doch lieber so? Gehen wir nach rechts? Oder lieber nach links? Habe ich Recht? Hast du Recht? Oder gewinnt am Ende einfach der, der lauter oder länger als alle anderen redet?
Bei all den Diskussionen wurde das Team müde. Ewig drehte es sich im Kreis und kam zu keinem Ergebnis. Also beschloss es, die Entscheidung einfach an die Führungskraft abzugeben.
Was so flapsig formuliert klingt, führt häufig zu Problemen: Teammitglieder oder ganze Teams „streiten“ sich darüber, wer bei diesem oder jenem Thema das letzte Wort hat. Hier werfen sie sich gegenseitig Argumente an den Kopf. Da stellen sie Meinungen oder Behauptungen in den Raum. Und am Ende steht die Frage: Und nun? Jetzt muss doch mal einer sagen: „So machen wir’s“. Oder?
Warum es schwierig sein kann, zu entscheiden, wer entscheidet, hängt an mehreren Faktoren: Und ich sage es gleich vorweg – ich zäume das Pferd hier mal von hinten auf.
Sind Rollen und / oder Prozesse nicht klar definiert, ist die Frage danach, wer eine Entscheidung treffen darf und wer nicht, oftmals schwer zu beantworten. Denn dann fehlt den Beteiligten der Indikator dafür, wer wofür verantwortlich ist und wer „nur“ in beratender oder unterstützender Funktion teilhat.
Um das aufzuklären, lassen sich verschiedene Methoden wie die RACI-Matrix nutzen. Aber: Auch festgelegte Rollen und Prozesse sind nicht immer ein Allheilmittel und schließen Konflikte nicht unbedingt aus.
Denn unter Umständen liegt das Problem tiefer und sollte erst an anderer Stelle gelöst werden. Ansonsten verwendest du mit deinem Team möglicherweise viel Kraft und Mühe darauf, Rollen zu erarbeiten, Prozesse festzulegen und Verantwortlichkeiten zu besprechen. Nur um dann im nächsten Projekt festzustellen, dass das in der Realität alles gar nicht so schön klappt, wie ihr euch das in eurem Workshop gemeinsam erdacht habt.
Woran kann das liegen? Schau dir doch zunächst mal an, wie du und dein Team aufgestellt seid? Damit meine ich: In welcher Teamentwicklungsphase befindet ihr euch: Bruce Tuckman beschreibt in seiner ursprünglichen Theorie vier Phasen: Forming, Storming, Norming, Performing. Mittlerweile wird das Modell gern erweitert, aber konzentrieren wir uns mal auf diese vier.
In der Forming-Phase bildet sich ein Team neu: Die Zusammenarbeit beginnt. Ihr versucht, euch gegenseitig (noch) nicht auf die Füße zu treten, und geht entsprechend vorsichtig miteinander um.
In der Storming-Phase platzt der Knoten: Ihr habt mehr oder weniger starke Konflikte miteinander; die Zusammenarbeit verliert die scheinbare Harmonie aus Phase eins.
In der Phase des Normings lasst ihr diese grundlegenden Streitigkeiten hinter euch. Ihr entwickelt gemeinsame Werte und Richtlinien, die die Basis für eine erfolgreiche Zusammenarbeit bilden.
Und zuletzt folgt die Performing-Phase: Jetzt seid ihr richtig drin. Dank eurer festgelegten Normen seid ihr leistungsstark und könnt mit Herausforderungen umgehen.
Was bedeutet das für dich und dein Team? Zum einen solltest du nicht nur darauf achten, Prozesse und Rollen zu klären. Du solltest dein Team auch zu einem wirklichen Team machen. Arbeite mit ihm an gemeinsamen Werten und Richtlinien, damit ihr eine Grundlage, ein gemeinsames Verständnis, der Zusammenarbeit habt. Salopp gesagt: Lernt, die gleiche Sprache zu sprechen.
Zum anderen solltest du bedenken, dass dein Team immer wieder in frühere Phasen zurückgeworfen werden kann. Nur weil ihr schon mal beim Norming oder Performing angekommen wart, heißt das nicht, dass es euch nicht ins Storming zurückwerfen kann.
Jede Person, die neu ins Team kommt oder euer Team verlässt, jede Umstrukturierung – kurz gesagt, jede Art der Veränderung kann dein Team wieder in ein Ungleichgewicht bringen. Und zack, seid ihr wieder im Storming und müsst euch neu aus den Konflikten herausarbeiten.
Und zuletzt: Wenn dein Team mit anderen Teams zusammenarbeitet, könnt ihr euch wiederum in einer anderen Phase befinden. Denn dann ist die Konstellation der Menschen, um die es geht, wieder eine andere. Auch hier braucht es, wenn diese Teams häufiger oder dauerhaft miteinander arbeiten sollen, gemeinsame Normen.
Und wenn du dir jetzt denkst: Werte, Richtlinien – das klingt alles so nach Kultur. Kann ich nur sagen: Bingo! All dem, worüber ich in diesem Artikel gesprochen habe, liegt etwas ganz Prinzipielles zugrunde: die Frage nach der Kultur eures Unternehmens.
Basierend auf dem Culture Iceberg Model nach Edward T. Hall wissen wir: Die Kultur eures Unternehmens prägt eure Arbeitsweise. Aber umgekehrt prägt ihr mit euren Überzeugungen, Wertevorstellungen und daraus resultierendem Verhalten die Unternehmenskultur.
me&company schreibt dazu:
„Jedes Unternehmen hat seine eigene Kultur. Sie ergibt sich aus dem Verhalten von Führungskräften und Mitarbeitenden und dessen Auswirkungen, aus den geteilten Werten und Überzeugungen sowie aus der (den) Geschichte(n) des Unternehmens. […] Sie ist da und zeigt sich z.B. in der Art und Weise, wie über Dinge gesprochen wird, wie sich Führungskräfte und Mitarbeitende in Besprechungen verhalten oder wie die Büros eingerichtet sind. 'Das haben wir schon immer so gemacht' ist in vielen Unternehmen der ultimative Beweis für die gelebte Kultur.“
Das bedeutet für dich, dein Team – und dein gesamtes Unternehmen: Wollt ihr innovativ sein, solltet ihr euch überlegen, ob euer höchstes Lob tatsächlich den Mitarbeitenden gilt, die keine Fehler machen. Wollt ihr ehrliches Feedback erhalten, solltet ihr nicht die bestrafen, die auch mal Unbequemes zu sagen haben. Und wollt ihr Eigenverantwortung fördern, solltet ihr nicht die belohnen, die Entscheidungen nur zu gern der „Führungsebene“ überlassen.
Fragt euch: Was für eine Art von Unternehmen wollen wir sein? Nach welchen Überzeugungen arbeiten wir? Welche Wertevorstellungen vertreten wir? Und verhaltet euch dementsprechend. Die Kultur eures Unternehmens ist Grundlage und Ergebnis zugleich.
Und das bringt uns zum Anfang zurück: Wie Entscheidungen getroffen werden, ist demnach ein (sichtbares) Verhalten, das sich aus Überzeugungen und Wertevorstellungen ergibt. Wenn dein Team selbst dazu in der Lage sein soll, zu entscheiden, dann handle danach: Befähige es dazu. Übt verschiedene Entscheidungsmethoden – je nach Anlass.
Versucht es mal mit einem Dot Voting oder einer simplen Abstimmung für einen demokratischen Mehrheitsentscheid oder vergebt in bestimmten Fällen ein Vetorecht. Nehmt Ideen im Ritual Dissent auch mal (sachlich) auseinander. Oder priorisiert über eine Fokus-Matrix gemeinsam. Schafft zur Abwechslung einen Konsent statt einen Konsens. Es gibt viele verschiedene Methoden, die euch dabei helfen, Entscheidungen zu treffen.
Wichtig ist, dass ihr vorher die Voraussetzungen geschaffen habt, dass diese Methoden greifen können. Und dann muss es am Ende auch nicht den einen geben, der auf seinem weißen Ross daherkommt und die Entscheidung trifft. Im Gegenteil: Es wird sich für dein Team gut anfühlen, selbst Verantwortung übernehmen und entscheiden zu können.
Und so diskutierten, entschieden und performten sie miteinander glücklich bis zur nächsten Veränderung. Ende.